Die Geschichte der Poppelsdorfer Allee 108

von Martin Stumpf

1 Die Geschichte der Poppelsdorfer Allee 108
1.1 Die Zeit der Erbauung
1.2 Die Zeit um die Jahrhundertwende
1.3 Das Haus im Besitz der Pfennigsdorfs

2 Außenbeschreibung des Hauses
2.1 Die Lage des Hauses und das Grundstück
2.2 Der Außenbau
2.3 Garten und Remisengebäude

3 Das Innere des Hauses
3.1 Grundsätzliches
3.2 Die Räume im Erdgeschoß
3.2.1 Eingangsflur und Treppenhaus
3.2.2 Der Empfangsraum (Raucherzimmer?)
3.2.3 Der untere Salon
3.2.4 Das alte Speisezimmer
3.2.5 Der Wintergarten
3.3 Das erste Obergeschoß
3.3.1 Das Wohnzimmer
3.3.2 Das Gartenzimmer oder Schlafzimmer
3.3.3 Das heutige Speisezimmer
3.4. Das zweite Obergeschoß
3.5 Der Keller

4 Das Haus in der Gegenwart

1 Die Geschichte der Poppelsdorfer Allee 108
1.1 Die Zeit der Erbauung

Die Bauakte des Hauses Nr. 108 in der Poppelsdorfer Allee ist erst ab dem Jahr 1905 im Bauordnungsamt erhalten, so daß davon ausgegangen werden muß, daß die vor dieser Zeit liegenden Akten im Zuge der Eingemeindung Poppelsdorfs verloren gegangen sind. Das exakte Baudatum und die Person des Architekten sind nicht mehr zu ermitteln. Stilistische Vergleiche können keine Aufschlüsse zur Bestimmung eines der in der Bonner Südstadt tätigen Architekten bringen. Es ist noch nicht einmal gesagt, daß es sich um einen staatlich geprüften Architekten gehandelt haben muß, denn es war durchaus üblich, daß auch Maurermeister als Entwurfsplaner tätig waren, wobei man die Projekte üblicherweise nach Vorlageblättern ausarbeitete.

Quellen zur Geschichte des Hauses sind vor allem die Bonner Adreßbücher, aber auch die privaten Akten von Udo Pfennigsdorf zu Rate zu ziehen, wobei die letzteren nur spärliche Informationen bieten, weil das Haus erst 1917 in den Pfennigsdorfschen Besitz überging. Die alten Adreßbücher der Stadt Bonn der Ausgaben von 1867 bis 1918/19 stellen für die Geschichte des Hauses vor 1917 eine unschätzbare Quelle dar, weil sie nicht nur die Bewohner des Hauses, sondern auch meistens deren Beruf angeben. Noch wertvoller in diesem Zusammenhang ist aber die Angabe des jeweiligen Hausbesitzers, auch wenn dieser nicht selbst im Haus wohnt. Diese Angaben des Hausbesitzers sind im Falle des Pfennigsdorfschen Hauses über die Jahre lückenhaft und teilweise widersprüchlich.

In zahlreichen Briefen Pfennigsdorfs, aber auch in Aktennotizen für den privaten Gebrauch aus den 1980er Jahren, ist von einer Erbauung des Hauses im Jahr 1842 die Rede. Als Beispiel sei hier ein Zitat aus einem Brief an den Bonner Stadtdirektor vom 9.3.1989 angeführt: "Mein Haus Poppelsdorfer Allee 108 ist eines der ältesten Häuser auf der Poppelsdorfer Allee. Es ist bereits vor 1842 errichtet worden, und zwar als Hochzeitsgeschenk für einen Rittmeister der Königshusaren. Im Stadtarchiv stellte ich vor längerer Zeit durch Einsichtnahme eines alten Bonner Adreßbuches auch fest, daß im Jahre 1842 auf der Poppelsdorfer Allee nur ca. 24 Häuser verzeichnet waren und zwar u.a. auch mein Haus Poppelsdorfer Allee 108."

Offensichtlich hat sich hier über die Jahre ein Fehler eingeschlichen: In den Bonner Adreßbüchern der Zeit um 1842 ist das Pfennigsdorfsche Haus schon deshalb nicht verzeichnet, weil die wie dieses Gebäude auf Poppelsdorfer Gemarkung liegenden Häuser erst seit der Ausgabe von 1867 darin vermerkt werden und von der Gemeinde Poppelsdorf vor dieser Zeit keine Adreßbücher existieren.

Gegen eine Datierung des Hauses vor 1842 spricht nicht nur die Tatsache, daß zu dieser Zeit in der heutigen Südstadt kaum ein Haus stand und die von Bonn aus gesehen rechte Seite der Poppelsdorfer Allee noch praktisch unbebaut war, sondern auch, daß das Haus dann auf dem auf 1855/56 datierten Plan des Stadtbaumeisters Thomann zur südlichen Stadterweiterung Bonns verzeichnet sein müßte. Dies ist aber nicht der Fall. Zudem läßt die Außenarchitektur des Hauses seine Entstehung um 1842 auch als unwahrscheinlich erscheinen.

Nach einer Aktennotiz Pfennigsdorfs war der erste Besitzer des Hauses ein Rittmeister von Mühlberg, bei dem es sich wohl um den erwähnten Rittmeister der Königshusaren handelt. Er hat nach mehrfachen Zeugnissen im Nachlaß Udo Pfennigsdorfs das Haus als Hochzeitsgeschenk erhalten.

Die früheste Eintragung des Hauses im Bonner Adreßbuch von 1870 verzeichnet allerdings nicht diesen Offizier, sondern die Geschwister Giebert, beide Rentner, als alleinige Bewohner des Hauses unter der damaligen Hausnummer 92 (die alte, provisorische Hausnummer 132 wird ebenfalls angegeben); ein Hausbesitzer, der normalerweise angegeben wird, ist nicht eingetragen. In der Ausgabe von 1872 ist als Bewohner und Hausbesitzer ein Rentner namens E. Giebert angegeben. Erst im Adreßbuch von 1873 wird ein Paul Mühlberg als Bewohner und Besitzer des Hauses genannt. Bei ihm handelt es sich um die einzige Person unter den Vorbesitzern des Pfennigsdorfschen Hauses, die genauer faßbar ist, da Mühlberg im April 1866 in das Königs-Husaren-Regiment Nr. 7 eintrat, wo er bis zum Major 1889) aufstieg. Der Regimentsgeschichte der Rheinischen Königshusaren von Adolf v. Deines (Das Husaren-Regiment König Wilhelm I. (1.Rheinisches) Nr. 7 von der Formation des Stammregiments bis zur Gegenwart. 2. Aufl. ergänzt/ fortgeführt v. Leopold Freih.von Türcke, Berlin 1904, S. 65) ist zu entnehmen, daß der am 17. 5.1847 in Berlin geborene Paul Mühlberg durch die Nobilitierung seines Vaters, des Rentiers Otto Mühlberg, in den Adelsstand gelangte, was an seinen Einträgen in den Bonner Adreßbüchern ab 1881 nachzuvollziehen ist. Als Leutnant hatte er 1867 noch in der Burgstraße 632 gewohnt, das Haus in der Poppelsdorfer Allee ist in dieser Ausgabe weder unter der Nr. 92 noch unter 132 eingetragen. Das Adreßbuch von 1870, das das Haus erstmals erwähnt, verzeichnet Mühlberg als "beurlaubt". Gleichzeitig nennt die Regimentsgeschichte seine Teilnahme am Krieg 1870/71 (er erhielt das Eiserne Kreuz 2. Klasse), gibt aber keine Verwundung an; das Regiment kehrte im Juni 1871 nach Bonn zurück.

Daß die Annahme Pfennigsdorfs, Mühlberg sei der erste Besitzer des Hauses gewesen und habe es als Hochzeitsgeschenk erhalten, wohl keine vollständige Legende ist, wird darin deutlich, daß Mühlbergs Frau Emma eine geborene Giebert war. Es könnte sich bei den im Adreßbuch von 1870 und 1872 genannten Gieberts um Verwandte seiner Ehefrau handeln, von denen das Haus geschenkt wurde. Zu beweisen ist dies aus den vorhandenen Quellen aber nicht. Sehr gut mit den Quellen in Einklang zu bringen ist eine Aktennotiz von Udo Pfennigsdorf, die angibt, das Haus sei am 26. September 1892 durch Frau von Mühlberg verkauft worden: Das Adreßbuch von 1892 nennt keinen Besitzer für das leerstehende Haus, und Paul von Mühlberg wurde im November 1891 zum 20. Ulanen-Regiment kommandiert, das in Ludwigsburg stationiert war. Mühlberg wurde 1902 als Generalmajor verabschiedet und kehrte nicht mehr nach Bonn zurück.

Eindeutigen Aufschluß über die Erbauungszeit des Hauses gibt ein Zufallsfund: Bei der Restaurierung des Treppenhauses im Jahr 2000 entdeckte man unter den alten Tapeten alte Zeitungen, die als Makulatur aufgeklebt waren. Dabei war eine “Bonner Zeitung” vom Dienstag, 2. Dezember 1856 einwandfrei zu identifizieren. Wenn man das Datum der als Makulatur verwendeten Zeitung von 1856 in engen zeitlichen Zusammenhang zum Erstbezug des Hauses setzt, steht fest, daß Haus kaum für den obengenannten Rittmeister als Hochzeitsgeschenk erbaut worden sein kann. Ungeachtet dessen scheint die weiter unten noch genauer beschriebene Anlage eines repräsentativen Hauses mit zwei Toreinfahrten und einem Remisengebäude mit Pferdestall einem Kavallerieoffizier aus vornehmem Regiment geradezu auf den Leib geschneidert.

Da kaum davon auszugehen ist, daß die Zeitung von 1856, die unter der Tapete als Makulatur verwendet wurde, lange vor ihrem Einsatz aufbewahrt wurde, muß man von einer Erbauung des Hauses unmittelbar um das Jahr 1856 ausgehen.

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1.2 Die Zeit um die Jahrhundertwende

Die nächsten Eigentümer des Hauses waren ein Pastor Wortmann und seine Frau; sie erwarben das Haus 1892 für die Summe von 40 000 Mark. Die Adreßbücher von 1893 bis 1896/97 nennen den emeritierten Pastor Friedrich Wilhelm Wortmann als im Haus wohnenden Besitzer; über ihn sind im Bonner Stadtarchiv ebensowenig wie über die nachfolgenden Bewohner Informationen verfügbar. Ab dem Adreßbuch von 1898 wird Wortmann nicht mehr als im Haus wohnend genannt; die Vermutung liegt nahe, daß er zwischenzeitlich verstorben war und daß mit den bis 1917 als nicht im Hause wohnhaften Besitzern "Wortmann, Biebrich" seine Hinterbliebenen gemeint sind. Dafür spricht auch, daß auf mehreren von 1905 und 1908 erhaltenen Bauplänen nur von "Frau Wilh. Wortmann" oder von "der Besitzung der Erben Wortmann" die Rede ist. Bei den für die nachfolgende Zeit bis 1917 zu ermittelnden Hausbewohnern handelt es sich ausnahmslos um Mieter, für die unter anderem 1908 die Veranden ans Haus angebaut wurden.

Von 1898 bis zur Ausgabe von 1903 nennen die Adreßbücher einen Dr. C. Overhage als Hausbewohner, der erst als Rentner, später als Fabrikant und Besitzer der Bleiweißfabrik in Duisdorf geführt wird. Ähnlich finanzkräftig dürfte auch sein in den Ausgaben von 1904 bis 1907/08 genannter Nachmieter Max von Gaudecker gewesen sein, der als Rittergutsbesitzer bezeichnet wird.

Im Jahr 1900 erhielt das Haus seine heute noch gültige Hausnummer 108 anstelle der alten Nummer 92.

Von dem Kutscher Noll einmal abgesehen, bei dem es sich aber auch um einen Hausangestellten handeln könnte, sind alle Personen, die im Haus der Familie Wortmann zur Miete lebten, typische
Beispiele für das gehobene, finanzkräftige Bürgertum der Bonner Südstadt. Ein Rentner und Fabrikant, ein Rittergutsbesitzer, d.h. auch ein Privatier mit Vermögen, und dann noch ein weiterer Rentner. Das Haus in der Poppelsdorfer Allee dürfte für die Erben Friedrich Wilhelm Wortmanns eine gute Einnahmequelle gewesen sein. Die drei für 1914/15 bis 1917/18 gültigen Adressbücher melden das Haus als leerstehend und als Besitzer weiterhin "Wortmann, Biebrich". Anfang 1917 ging dann das Haus in den Besitz der Familie des Stifters über.

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1.3 Das Haus im Besitz der Pfennigsdorfs

Anfang 1917 - der Eintrag im Grundbuch datiert vom 31. Januar - erwarben der Theologieprofessor Emil Pfennigsdorf und seine zweite Ehefrau, Erika geb. Otte, die Eltern des Stifters Udo Pfennigsdorf, das Haus für 60 000 Mark. Emil Pfennigsdorf hatte 1913 einen Ruf an die Bonner Universität auf den Lehrstuhl für praktische Theologie der Evangelisch-Theologischen Fakultät erhalten. Die ersten Jahre in Bonn verbrachte die Familie in einem gemieteten Einfamilienhaus in der Bennauerstraße. Der Erwerb des Hauses in der Poppelsdorfer Allee stellte eine erhebliche Investition dar, die mit einem Professorengehalt alleine nicht zu bestreiten gewesen wäre und erst durch das väterliche Erbe der Ehefrau Erika Pfennigsdorf möglich wurde. Udo Pfennigsdorf erinnert sich in der von ihm verfaßten Lebensbeschreibung seines Vaters, daß zusätzlich noch nach dem Ersten Weltkrieg eine Aufwertungshypothek aufgenommen werden mußte, die nach 1928 zurückgezahlt werden konnte, und daß aus finanziellen Erwägungen die Kinder in Bonn studieren mußten; sparsam lebte man ohnehin (U. Pfennigsdorf, Lebensbeschreibung des Vaters, S. 4). Um sich einen gehobenen Lebensstil leisten zu können, wurden an anderer Stelle durchaus gewisse Zugeständnisse gemacht. Daß die finanzielle Last des Hauses dennoch nicht gerade erdrückend war, zeigt sich darin, daß sich Udo Pfennigsdorf mit seinem Jurastudium Zeit lassen konnte.

Daß die Poppelsdorfer Allee zur Zeit des Hauskaufs nicht die schlechteste Wohngegend war, zeigt ein Blick in das Bonner Adreßbuch von 1918/19: Unter den etwa 135 für diese Straße verzeichneten Parteien sind 33 Rentner, acht Professoren sowie zwei Professorenwitwen genannt, außerdem acht Kaufleute, drei Fabrikanten, drei Offiziere und fünf Offiziers bzw. Generalswitwen, sechs Privatiers, mehrere höhere Beamte und zahlreiche Witwen entsprechender Gehaltsklassen. Neben einigen Hausangestellten (ein Kutscher, ein Diener, außerdem ein Hausverwalter) ist lediglich ein Handwerker, ein Elektro-Meister, aufgeführt.

Wenn man auch 1914 bis 1918 in Bonn vom direkten Kriegsgeschehen des Ersten Weltkrieges lange Zeit kaum behelligt wurde, traf es die Familie Pfennigsdorf dennoch hart: 1916 fiel Hans Pfennigsdorf (*1897) in Frankreich, der Sohn Emil Pfennigsdorfs aus erster Ehe. Gegen Ende des Jahres 1918 hatte man dann laufend Einquartierungen der sich auf dem Rückzug befindenden deutschen Truppen im Haus. Ab Dezember 1918 zogen dann britische bzw. kanadische Besatzungstruppen in Bonn ein, die auch das Pfennigsdorfsche Haus in Beschlag nehmen und darin eine Offiziersmesse einrichten wollten. Soweit kam es allerdings nicht: "Glücklicherweise stellte sich der Empfangsraum vorn als zu klein heraus. So kam die Messe in das Haus nebenan....“ (Lebenserinnerungen E. Pfennigsdorf, S. 223). Dafür mußte Tischzeug, Geschirr und Silber ausgeliefert werden und ging damit verloren; beschlagnahmt wurden von britischen Soldaten aber lediglich der Pferdestall und die Kutscherwohnung im Garten. "Da es meist ordentliche, gesittete Leute waren, hatten wir von dieser Seite nichts zu leiden" (ebda, S. 223). Das Stallgebäude wurde mit drei Burschen und sechs Reitpferden belegt.

Fast ebenso glimpflich verlief für das Pfennigsdorfsche Anwesen die von 1920 bis 1926 währende französische Rheinlandbesetzung. Auch die Franzosen wollten Räume des Hauses beschlagnahmen, doch Udo Pfennigsdorf erinnert sich, daß man von der Nachbarschaft vorgewarnt worden war und Vorsorge getroffen hatte, bis die französische Beschlagnahmungskommission ankam: Die Familie hatte die schönen Möbel in das Mansardgeschoß geschleppt und statt dessen die Zimmer im Parterre mit den häßlichsten Möbelstücken zu Vorlesungsräumen umgestaltet; Emil Pfennigsdorf argumentierte gegenüber der Kommission, eine Einquartierung bei ihm sei ganz unmöglich, weil er für seine wissenschaftliche Arbeit als Professor Ruhe brauche. So konnte die Beschlagnahme des Hauses erneut verhindert werden, das Remisengebäude aber wurde wiederum belegt. Udo Pfennigsdorf behielt die Franzosen in weniger guter Erinnerung, weil sie nicht nur ihre Tiere, sondern auch die Kutscherwohnung schlecht behandelt hatten; sie hatten Tapeten und sämtliche Türfüllungen verheizt (U. Pfennigsdorf, Lebensbeschreibung des Vaters, S. 45).

Nachdem die französischen Soldaten das Anwesen verlassen hatten, wurde 1925 das Remisengebäude abgerissen, hierfür dürfte nicht nur der schlechte Bauzustand der Grund gewesen sein, sondern sicherlich auch die Tatsache, daß man keine Verwendung für das Gebäude mehr hatte.

1936 wurde Emil Pfennigsdorf emeritiert. Die im darauffolgenden Jahr durchgeführten Umbaumaßnahmen stehen wohl damit im Zusammenhang, denn nun wurde mit dem Einbau von Badezimmern auf allen drei Geschossen das Leben komfortabler und mit der Einrichtung von Küchen in der ersten und zweiten Etage die Küche im Keller obsolet.

Während Udo Pfennigsdorf im Verlauf des Zweiten Weltkriegs als Soldat eingezogen wurde, blieben seine Eltern in Bonn. Um den drohenden Bombenangriffen zu entgehen, flohen Emil und Erika Pfennigsdorf Ende September 1944 nach Bad Pyrmont, das als Lazarettstadt durch Luftangriffe weniger gefährdet erschien; sie kehrten am 8. Juni 1945 nach Bonn zurück. Das Haus in der Poppelsdorfer Allee hatte, von einigen durch die Erschütterungen der Luftangriffe verursachten Rissen in Decken und in der an das Nachbarhaus grenzenden Wand sowie zerborstenen Fensterscheiben abgesehen, den Krieg ziemlich unbeschadet überstanden. Im zweiten Obergeschoß im Zimmer über dem Hauseingang schlug im Oktober 1944 eine Brandbombe ein, die den Boden beschädigte, aber noch rechtzeitig von Pastor Mummenhoff, dem Schwager des Stifters, gelöscht werden konnte. Auch im restlichen Hausinneren herrschte völlige Unordnung, weshalb das Ehepaar Pfennigsdorf nach seiner Rückkehr nach Bonn zuerst in der Händelstraße Quartier nahm. Das Chaos im Haus ging nur zu geringen Teilen auf das Konto der amerikanischen Besatzungstruppen, die sich zwischen Ende März und Juni 1945 in Bonn befanden; hierbei wurden lediglich Brandschäden auf den Parkettfußböden in drei Zimmern verursacht. Viel schwerer wog neben der Unordnung der Verlust von Hausrat und Mobiliar; Möbel und Ausstattungsstücke (u.a. Bilder, aber vor allem wichtige Dinge wie Betten und Matratzen), die nicht bei Bekannten untergestellt waren, waren nach dem Abzug der Amerikaner hauptsächlich von Bewohnern der umliegenden Straßen geplündert worden. Ein Großteil des Mobiliars konnte allerdings bald wieder beschafft werden, da die meisten Stücke in Häusern der näheren Umgebung leicht aufzufinden waren. Der Zweite Weltkrieg, der ohnehin für weite Teile der Bonner Südstadt glimpflich verlief, hat keinerlei bleibende Schäden an der Bausubstanz des Pfennigsdorfschen Hauses hinterlassen.

Der Wiedereinzug der Familie nach den Aufräumungsarbeiten in die Poppelsdorfer Allee 108 erfolgte im August 1945. Udo Pfennigsdorf kehrte Anfang Oktober 1945 aus russischer Kriegsgefangenschaft zurück und nahm ab 1946 seine Tätigkeit als Rechtsanwalt wieder auf.

Professor Emil Pfennigsdorf starb am 8. April 1952, seine Frau Erika am 17. Juni 1954. Udo Pfennigsdorf einigte sich mit seinen Geschwistern über das Erbe; 1955 wurde das Haus auf ihn überschrieben.

In den Unterlagen von 1958 existieren Umbauplanungen, die, "um die Bewirtschaftung des Hauses zu vereinfachen" (so eine Aktennotiz Udo Pfennigsdorfs vom 22. 1. 1958), vorsehen, die Lücke zum Nachbarhaus Poppelsdorfer Allee 110 zu schließen und abgeschlossene Etagen zu schaffen. Dies hätte es ermöglicht, Etagen als Wohn- und Büroräume zu vermieten, allerdings wären dabei auch Bausubstanz und Erscheinungsbild des Hauses nachhaltig verändert worden. Die Realisierung dieser Baumaßnahmen wurde offenbar nie ernstlich in Erwägung gezogen, die Pläne blieben zum Glück in der Schublade.

Die bis heute letzte tiefgreifende Veränderung des Hauses war die Umgestaltung der Innenräume nach der 1965 erfolgten Eheschließung des Stifters mit Hildegard Frettlöh. In diesem Jahr wurden die Zimmer in hellen Farbtönen umgestaltet und so das Raumbild dem moderneren Wohngeschmack des hellen, großzügigen "Altbaus" angepaßt, in dem sich die Räume auch heute noch, wenn auch abermals renoviert, präsentieren. Dabei wurde die Einrichtung des Hauses nur unwesentlich verändert, sie entspricht im großen und ganzen noch dem von den Eltern des Stifters hinterlassenen Zustand.
Poppelsdorfer Allee 108 - Frontseite
Poppelsdorfer Allee 108 - Frontseite
Am 3. Dezember 1989 verstarb Dr. Udo Pfennigsdorf. Gemäß seiner testamentarischen Verfügung wurde das Haus in den Besitz der aus seinem Nachlaß begründeten Stiftung überführt, die seit dem 8. Juni 1993 als Besitzer des Hauses im Grundbuch eingetragen ist. Die Satzung der gemeinnützigen Stiftung wurde am 9. April 1992 vom Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen genehmigt. Zweck der Stiftung ist die Förderung der Kultur; ihre wichtigste Aufgabe ist die exemplarische Erhaltung des Hauses in der Poppelsdorfer Allee 108 für die Nachwelt.

Seit 1991 ist das Haus als Baudenkmal in die Denkmalliste der Stadt Bonn eingetragen.

1994 wurden von der Stiftung Sanierungsarbeiten am Haus durchgeführt. Dabei wurden die Räume im ersten Obergeschoß renoviert und das Dach sowie das Äußere des Hauses restauriert. Die renovierte Fassade des Hauses wurde 1995 an läßlich des Fassadenwettbewerbs der Stadt und der Sparkasse Bonn von 1994 prämiert.

1997 nahm die Stiftung die Restaurierung der Zimmer im Erdgeschoß in Angriff, im Jahre 2000 das Treppenhaus, und im Jahre 2001 den Ersatz der Fenster im 2. Obergeschoß, denen die weiteren im Parterre und 1. Obergeschoß noch folgen werden.

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2 Außenbeschreibung des Hauses
2.1 Die Lage des Hauses und das Grundstück

Das Grundstück des Pfennigsdorfschen Hauses liegt an der nordwestlichen, von Bonn aus gesehen rechten Seite der Poppelsdorfer Allee, und zwar genau an der Stelle, an der der gerade Straßenverlauf abknickt und sich die Allee zu der halbkreisförmigen Anlage vor dem Poppelsdorfer Schloß erweitert.

Rückwärtig reicht das Grundstück bis an die Meckenheimer Allee; hier lag das Remisen- und Stallgebäude. Ursprünglich bot das Haus durch die beiden Toreinfahrten an der Meckenheimer- und an der Poppelsdorfer Allee die Möglichkeit, mit der Kutsche standesgemäß vor dem Hauseingang vorzufahren und die Pferde samt Wagen im Nebengebäude unterzubringen. Das Haus schließt nur mit seiner rechten Seite an die Reihenbebauung an, an der anderen Seite ist die Häuserzeile für die Tordurchfahrt unterbrochen, was dem Haus eine signifikante Lage im Straßenbild verleiht und von einem besonderen Anspruch der Erbauer zeugt.

Ursprünglich dürfte die städtebauliche Position des Hauses Nummer 108 noch wesentlich eindrucksvoller gewesen sein: Der Vorgängerbau des 1913 erbauten rechten Nachbarhauses, Nummer 106, war wesentlich niedriger; dieses Gebäude dürfte ebenso wie das Pfennigsdorfsche Haus vor 1870 entstanden sein. Das linke Nachbarhaus (Nr. 110) wurde am Anfang des 20. Jahrhunderts um ungefähr ein Drittel verbreitert und mit einer neuen Fassade versehen, so daß die Lücke zwischen den beiden Häusern heute schmäler ist und die freistehende Seitenwand mit dem Eingang des Hauses 108 nicht mehr so dominierend in Erscheinung tritt.

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2.2 Der Außenbau

Die fünfachsige Straßenfassade des Hauses besteht aus zwei Teilen: Der hervortretende, rechte, dreigeschossige Teil der Hausfront mit drei Fensterachsen liegt in der Flucht der Bebauung der Poppelsdorfer Allee; die mittlere Fensterachse ist durch die Grundstücksform bedingt abgeschrägt und stellt so die Verbindung zum nach hinten versetzt liegenden linken, zweigeschossigen Teil mit dem Satteldach und zwei Fensterachsen her. Diese zurückfluchtende Fassade ist ein Hauptgrund, warum die Entstehung des Hauses um 1842, wie sie von Udo Pfennigsdorf angenommen wurde, auszuschließen ist: Zu dieser Zeit hätte man die ganze Fassade weiter nach hinten versetzt und in gerader Flucht erbaut.

Die Fenster und Türöffnungen in allen Geschossen sind hochrechteckig und mit aufgeputzten Pilasterrahmungen mit korinthischen Kapitellen und horizontalen Verdachungen mit Palmettenfriesen versehen. Stuckornamente betonen Kapitell- und Sturzbereiche. Die Fenster der beiden äußeren Fensterachsen sind jeweils als Paar zusammengefaßt. Im ersten Obergeschoß der Mittelachse ist ein kleiner Austritt mit gußeisernem Gitter angebracht; die Fensteröffnungen im zweiten Obergeschoß sind mit Brüstungsgittern versehen.

Gusseisernes Gitter und Französisches Fenster, Fassade zur Allee, 1. Obergeschoß
Gusseisernes Gitter und Französisches Fenster, Fassade zur Allee, 1. Obergeschoß

Das Kellergeschoß ragt nur wenig über das Bodenniveau heraus und tritt als Gebäudesockel kaum in Erscheinung. Alle darüber liegenden Stockwerke sind mit feiner Putzbänderung versehen, die beiden Obergeschosse durch durchlaufende Gesimse voneinander abgetrennt, wobei das Gesims zwischen Parterre und erstem Obergeschoß reicher profiliert ist. Das Dach des erhöhten rechten Gebäudeteils wird von einer Attikazone verdeckt, der aus reich ornamentierten Volutenkonsolen hervorwachsende Karyatiden vorgestellt sind, die ein mit einem Zahnschnittfries versehenes Kranzgesims tragen. Zwischen den Karyatiden sind in die Attika Felder mit stuckierten Ornamenten eingelassen.

In der Mitte der freistehenden linken Seitenwand des Hauses sitzt die original erhaltene Eingangstür des Hauses. Darüber befinden sich im ersten Obergeschoß und in der Giebelwand des Dachgeschosses je ein hochrechteckiges, in der Rahmung denen an der Straßenseite entsprechendes Fenster.
Rückseite des Hauses
Rückseite des Hauses

Die dem Garten zugewandte Rückseite des Hauses ist schmucklos. Einziges Dekorationselement ist der auch an den bei den anderen Seiten des Hauses vorhandene Zahnschnittfries unter der Dachtraufe. Schöne Verzierungen zeigt auf der Gartenseite die Eisenkonstruktion der 1908 angebauten zweigeschossigen Veranda, die 1912 verglast wurde, so daß auf Erdgeschoßebene der Wintergarten entstand.

Die schlicht und nüchtern gehaltene Gartenfront ist für die Häuser der Bonner Südstadt typisch. Während die Straßenfassade einen Repräsentationsanspruch zu erfüllen hatte, war der Garten ein privater, durch Mauern vom Nachbargrundstück abgeschiedener Bereich.

Es ist davon auszugehen, daß das Gebäude immer in weißer Farbe gestrichen war, wobei ein leichter grauer oder ockerfarbener Einschlag durchaus noch denkbar wäre. Im Vergleich zu einigen in den beiden letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts entstandenen reich dekorierten Häusern der Südstadt wirkt das Pfennigsdorfsche Haus in seinem noblen, aber zurückhaltend spätklassizistischen Stil geradezu unauffällig.

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2.3 Garten und Remisengebäude

Wie der Garten des Hauses in der Poppelsdorfer Allee 108 zur Zeit der Erbauung gestaltet war, ist nicht bekannt. Im hinteren, an die Meckenheimer Allee angrenzenden Teil des Grundstückes befand sich das bereits erwähnte Remisengebäude, das 1925 abgerissen wurde. Über das Aussehen des Remisengebäudes sind keine Aussagen mehr zu machen; es existieren lediglich noch Pläne mit dem Grundriß des Erdgeschosses und eine Beschreibung von Udo Pfennigsdorf, wonach sich im Garten ursprünglich "ein großer Pferdestall mit 6 Pferdeboxen, einer Sattelkammer, einer Wagenremise, einer Kutscherwohnung bestehend aus 2 Zimmern, einem Trockenboden und einem Heuboden" befunden habe (U. Pfennigsdorf. Lebensbeschreibung des Vaters, eingefügtes Blatt o. S.).

Gartenplan des Architekten C. Röthe, 1925
Gartenplan des Architekten C. Röthe, 1925

Ob der in den Bonner Adreßbüchern von 1910/11 bis 1913/14 als im Hause wohnhaft gemeldete Kutscher Joh. Noll in den Wohnräumen dieses Nebengebäudes gelebt hat, ist nicht mehr zu klären. 1958 wurde die zur Meckenheimer Allee hin gelegene Garage erbaut.

Vom März 1925 hat sich ein Gartenplan des Gartenarchitekten C. Röthe erhalten, der den Abriß des Remisengebäudes schon einplant und an Stelle des Pferdestalles einen von Hecken umrahmten Sitzplatz im Grünen vorsieht. Die Gartenanlage ist auf dem Plan ringsum von den wohl noch aus der Erbauungszeit des Hauses stammenden Mauern umgeben, die mit Sträuchern und Spalierobstrabatten begrünt sind. Auf den Flächen dazwischen sind Rosenbeete und Blumenrabattenvorgesehen. Diese Gartenanlage hat bis ungefähr 1965 bestanden, als sie der heutigen Anlage wich.

Die Einfriedung des sehr schmalen Vorgartenbereichs vor der Straßenfassade des Hauses stammt noch von 1905.

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3 Das Innere des Hauses
3.1 Grundsätzliches

Über die ursprüngliche Nutzung der Räume zur Zeit der Erbauung um 1870 gibt es keine Nachrichten mehr. Allerdings ist anzunehmen, daß die Raumzuordnung den Gepflogenheiten der Zeit entsprach. Es ist davon auszugehen, daß die Räume im etwas über dem Straßenniveau erhöhten Parterre in erster Linie repräsentative Funktion hatten und zum Empfang von Gästen genutzt wurden. Die Küche sowie weitere Versorgungs- und Vorratsräume, in denen das Personal tätig war, lagen im Souterrain; durch einen Speiseaufzug bestand eine Verbindung ins Parterre und in das erste Obergeschoß.

Im ersten Obergeschoß waren die Wohnräume der Familie, vielleicht auch ein Schlafraum; der Grundriß entspricht weitestgehend dem des Erdgeschosses. Im zweiten Obergeschoß befanden sich die Schlafräume (zumindest für die Kinder); die durch Dachschrägen wenig komfortablen Kammern haben die Hausangestellten bewohnt.

Der Grundriß des Hauses der Stiftung Pfennigsdorf ist, von den geringfügigen Maßnahmen des Umbaus von 1937 abgesehen, in allen Geschossen original erhalten.

Dadurch, daß die Bauakte des Pfennigsdorfschen Hauses nur bis ins Jahr 1905 zurückreicht, sind leider keine definitiven Aussagen über die technische Ausstattung des Hauses zu machen, man ist hier auf Vermutungen angewiesen: Man kann davon ausgehen, daß die bis 1965 in den Räumen erhaltenen Gaskamine aus der Erbauungszeit stammten; die Zentralheizung mit teilweise sehr elegant in die Ecken der Räume integrierten Heizkörpern könnte in der Zeit um die Jahrhundertwende eingebaut worden sein. Ursprünglich war im Haus Gasbeleuchtung vorhanden, Reste der Gasleitungen sind noch zu sehen; Elektrizität dürfte erst im frühen zwanzigsten Jahrhundert installiert worden sein.

Aufgrund des mehrmaligen Wechsels der Hausbewohner kann man nichts mehr über die ursprüngliche Möblierung und Ausstattung des Hauses sagen. Mit Sicherheit waren die Räume der Poppelsdorfer Allee 108 ursprünglich ein zeittypisches Abbild der repräsentativen, aber völlig nach innen gekehrten Bürgerlichkeit des 19. Jahrhunderts. Man schätzte damals Anstriche, Tapeten und schwere Vorhangstoffe in erdigen und dunklen Farben, in entsprechenden Tönen bemalte Zimmerdecken und dunkel gehaltene Möbel; durch z.T. farbig bemalte und verhängte Fenster drang nur wenig direktes Tageslicht ein, und all dies sollte ein Gefühl privater Geborgenheit vermitteln. So wie auch der von Mauern umgrenzte Garten eine abgeschiedene, private Idylle darstellen sollte, wollte man die Umwelt aus dem Leben im Haus heraushalten. Der Ausblick in die Natur war zweitrangig, obwohl zur Zeit der Erbauung des Hauses kurz vor 1870 die Poppelsdorfer Allee am Rande eines noch lückenhaften Neubaugebietes und damit geradezu noch mitten im Grünen lag.

Ursprünglich waren im Inneren des Hauses sämtliche Holzteile dunkel bzw. schwarz gestrichen, also z.B. die Fußbodenleisten, der Wintergarten und auch die Türen, die in mattem Schwarz gehalten waren und deren schwarz glänzende Innenfelder durch goldene Leisten abgesetzt wurden. Diese originale Fassung wurde erst 1965 überstrichen, die Holzteile sind heute sämtlich in weiß gehalten. Die Fensterrahmen waren außen dunkelbraun und innen zumindest schon seit 1937 weiß.

Auch die Decken, die spätestens 1937, wahrscheinlich aber schon früher (1917?) weiß überstrichen worden sind, waren ursprünglich bemalt, worüber anläßlich der 1997 durchgeführten Renovierung der Räume im Erdgeschoß genauere Erkenntnisse gewonnen werden konnte.

Wie die Zimmer zur Zeit der Eltern des Stifters aufgeteilt waren, läßt sich allenfalls noch vermuten. Es gibt aber Berichte, daß Emil Pfennigsdorf als Theologieprofessor auch zu Hause Lehrveranstaltungen abhielt, was angesichts der damaligen Studentenzahlen durchaus noch üblich war. Er nutzte dazu wohl die Räume des Erdgeschosses.

Beim 1937 erfolgten Umbau stand die Verbesserung des Wohnkomforts im Vordergrund. Anstelle der Toiletten auf den Treppenabsätzen wurde in allen drei Etagen ein Badezimmer eingebaut und im Erdgeschoß sowie im ersten Obergeschoß eine Küche eingerichtet - man war nun nicht mehr auf die Küche im Keller und damit auch nicht mehr so sehr auf Personal angewiesen. Bei dieser Gelegenheit wurde auch die Ecke des Raumes im ersten Obergeschoß neben dem Wohnzimmer, der fortan als Speisezimmer diente, abgeschrägt. Durch diese so verschobene Wand, in die eine Tür gesetzt ist, wurde ein direkter Zugang von der neu eingerichteten Küche ins Treppenhaus ermöglicht.

Toilette, Zwischengeschoß zum 1. Obergeschoß
Toilette, Zwischengeschoß zum 1. Obergeschoß (Aufnahme ca. 1936)

Die frühesten erhaltenen Innenaufnahmen von 1935/36 zeigen, daß unter Emil und Erika Pfennigsdorf noch sehr viel von der nach unserem heutigen Geschmack eher düsteren Raumatmosphäre des späteren 19. Jahrhunderts erhalten geblieben war. Diese Photos, die von Gisela Mummenhoff geb. Pfennigsdorf, einer Schwester des Stifters, aufgenommen worden sind, dokumentieren den Zustand des Hauses vor dem Umbau.

Mit Aufnahme seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt seit 1942 bzw. nach der Unterbrechung durch den Krieg ab 1946 nutzte Udo Pfennigsdorf die Räume im Erdgeschoß als Wohn- und Kanzleiräume. Seit 1955, nach dem Tod seiner Eltern und nach erfolgter Aufteilung des Erbes unter seinen Geschwistern, dienten die Räume im Erdgeschoß als Anwaltskanzlei, das erste Obergeschoß als Wohnetage, und im Dachgeschoß wurden zwischen 1955 und 1965 zwei möblierte Zimmer an Studenten vermietet.

Die schon erwähnte dunkle Raumfassung mit den schwarz gehaltenen Türen und Holzteilen wurde erst 1965 beseitigt; im Rahmen dieser Modernisierung wurden auch die zum Originalbestand des Hauses gehörenden Gaskamine, die inzwischen nur noch zur Zierde vorhanden waren, entfernt. Die heute vorhandene Möblierung stammt im wesentlichen noch von den Eltern des Stifters, einige Stücke, die auf den genannten Photos von 1935/36 abgebildet sind, befinden sich allerdings nicht mehr im Haus; sie verschwanden durch die Plünderungen nach dem Zweiten Weltkrieg, aber auch durch die Aufteilung des elterlichen Erbes unter den Geschwistern.

Der Großteil des Mobiliars dürfte in der Zeit der letzten beiden Jahrzehnte des 19. und dem ersten des 20. Jahrhunderts entstanden sein, manches wurde vielleicht auch erst 1917 zum Einzug in die Poppelsdorfer Allee angeschafft. Es handelt sich bei den Stücken mehrheitlich um durchaus qualitätvolle, aber nicht unbedingt herausragende Stücke.

Auch die sonstige Ausstattung der Zimmer übernahm der Stifter von seinen Eltern: In den Räumen finden sich neben einigem "Nippes" Reiseandenken des verehrten Vaters (insbesondere von dessen Italien- und Nahostreisen) und u.a. Ölgemälde, die von der Mutter in der Zeit um die Jahrhundertwende gemalt wurden. Malen zählte in dieser Zeit zu den angemessenen Beschäftigungen von Töchtern aus gutem Hause.

Es hat sich, trotz aller Umgestaltungen, doch die Atmosphäre aus der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts im Haus bewahrt: In den Geschirrschränken befindet sich noch das zeitgenössische Porzellan und entsprechende Gläser, in Schränken alter Hausrat und Bettwäsche, in anderen Schränken sind noch unveröffentlichte Manuskripte des Professors sowie von ihm erworbene Sprachführer, Operntexte, Reiseprospekte und derlei weitere Dinge vorhanden. Es scheint fast, als sei an manchen Stellen im Haus des Stifters mit dem Tod seiner Eltern die Zeit stehengeblieben. So wird offensichtlich mit der Erhaltung des Hauses nicht allein das häusliche Umfeld Udo Pfennigsdorfs, sondern gleichzeitig auch die vom 19. Jahrhundert geprägte Lebenswelt seiner Eltern konserviert.

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3.2 Die Räume im Erdgeschoß
3.2.1 Eingangsflur und Treppenhaus

In dem als Vestibül dienenden Eingangsflur hat sich der schwarzweiße Marmorfußboden aus der Erbauungszeit erhalten. Hinter einem mit reich ornamentierter Kapitellzone versehenem Bogen, der ursprünglich auch dunkel gestrichen war, öffnet sich das Treppenhaus. Das offene Treppenhaus, das hier unangetastet geblieben ist, stellt - was hervorgehoben werden muß - unter den Häusern der Poppelsdorfer Allee inzwischen eine Seltenheit dar; oft hat man in den Einfamilienhäusern abgeschlossene Etagenwohnungen eingerichtet. Die Wände des Treppenhauses mit seiner hölzernen Treppe waren ursprünglich mit einer dunklen ungefähr 1,00m hohen Sockelzone aus Likrusta verkleidet und in rostrotem Ton gestrichen. Über diesem Sockel war eine okkerfarbene Tapete geklebt.

Badezimmer auf den Etagen gab es ursprünglich keine; es befanden sich lediglich zwei oder drei Toilettenräume in den Zwischengeschossen auf den Treppenabsätzen. Dies wurde durch die Umbaumaßnahmen von 1937 verändert.

Dabei richtete man im Erdgeschoß eine Küche (vom Flur aus erste Tür links; der Raum dient momentan als Abstellkammer) und ein Badezimmer (zweite Tür links) ein.

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3.2.2 Der Empfangsraum (Raucherzimmer?)

Von der ursprünglichen Farbfassung dieses Raumes waren bei der Freilegung anläßlich der Restaurierung der Räume des Erdgeschosses nur noch Reste der Deckendekoration vorhanden. Die Deckenkehle war mit einem in rötlichbrauner Farbe gemalten Palmettenfries versehen; um die schlichte, runde Stuckrosette in der Deckenmitte waren noch schemenhafte Reste von Ornamentmalereien auf bläulichem Grund zu erkennen, die sich allerdings nur noch sehr schlecht erhalten hatten.

Dieser Raum, der als Arbeitsraum für die Sekretärin der Anwaltskanzlei Udo Pfennigsdorfs diente, wird als Büro des Geschäftsführers der Stiftung genutzt. Daher finden sich hier keine besonders wertvollen Ausstattungsstücke; das Büromobiliar stammt im wesentlichen aus den 1950er Jahren und ist eher zweckmäßig, zeugt aber dennoch vom sehr konservativen Geschmack des Stifters. Von "Nierentischatmosphäre" ist hier nichts zu spüren.

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3.2.3 Der untere Salon

Bei diesem Zimmer handelte es sich ursprünglich wohl um den wichtigsten und repräsentativsten Raum des Hauses, um den Salon. Dieser Raum besaß einen offiziellen Charakter, hier empfing man seine Gäste, hier wurde der gesellschaftliche Status am deutlichsten präsentiert. Dementsprechend war dieser Raum zur Zeit der Erbauung des Hauses sicher auch mit dem aufwendigsten Mobiliar und dementsprechender Ausstattung versehen. Eine Ahnung davon kann noch die Deckengestaltung vermitteln, deren Stukkatur die prunkvollste des ganzen Hauses ist. Während der Renovierung des Raumes 1997 wurde an einigen Stellen die ursprüngliche Farbfassung der Decke freigelegt.

Im Zentrum der Decke ist eine ausgreifende Stuckrosette in Formen des Neubarock bzw. Neurokoko angebracht. Um das Zentrum der Rosette sind im Wechsel Obstschalen tragende Putten und mit Masken verzierte Volutenkonsolen gruppiert, um die rocailIenartige und vegetabile Formen herumranken. Über die ursprüngliche Fassung der Stukkaturen sind keine Aussagen mehr zu machen, sie erscheint grünlich; zumindest Teile von ihr dürften aber vergoldet gewesen sein.

Freilegung bei Renovierung 1997: Detail aus dem unteren Salon, Stuckornamentik der Decke
Freilegung bei Renovierung 1997: Detail aus dem unteren Salon, Stuckornamentik der Decke

Die Rosette befindet sich in einer oktogonalen Fläche, die von mit Eierstabprofil versehenen (hölzernen) Leisten gerahmt ist. Innerhalb dieser Leiste ist ein Fries mit Blütenranken in dunklerer blauer Farbe auf den bläulichen Grund gemalt. Um dieses oktogonale Feld herum sind mit profilierten Holzleisten trapezförmige Felder abgeteilt, in die mit goldener Farbe auf weinrotem Grund Palmettenornamente gemalt sind. Durch eine Kammtechnik wird der Eindruck von einer brokatähnlichen Stoffbespannung hervorgerufen. In die beiden ebenfalls von Holzleisten eingerahmten dreieckigen Felder auf der vom Fenster abgewandten Seite der Decke sind Rankenmotive gemalt, die eine Holzintarsienarbeit täuschend echt nachahmen. Die Streifen zwischen den einzelnen, durch die Leisten abgetrennten Feldern sind in hellem Braun gehalten und mit imitierter Holzmaserung versehen. Sämtliche Malereien sind direkt auf den Deckenverputz gemalt. Das Ganze ist umrahmt von profilierten, mit einer Schablone gezogenen Stuckleisten über und unter der die Wand und Decke verbindenden Deckenkehle. Auch sämtliche Leisten dürften farbig gefaßt gewesen sein. Bei der Gestaltung der Decke wurde versucht, eine Holzkassettendecke zu imitieren. es handelt sich aber um eine typisch historistische, freie Interpretation älterer Motive; die ausladende Deckenrosette in Neurokoko-Formen scheint zu den eher flachen, die Decke gliedernden Leisten nicht so recht zu passen. Es wäre zumindest theoretisch denkbar, daß die Rosette erst einige Jahre nach der Erbauung in die Decke eingesetzt wurde und ein flacheres, klassizistisches Vorgängerstück ersetzte, zumal das Neurokoko erst in den Jahren um 1890 in der Südstadt richtig modern wurde. Da die Rosette in sehr aufwendiger Weise in die Deckenstruktur eingesetzt ist, erscheint dies fragwürdig.

Bei der Restaurierung ergaben sich auch Erkenntnisse über die ursprüngliche Gestaltung der Wände: Im selben dunklen, fast schwarzen Farbton, in dem Türen und Fußbodenleisten gestrichen waren, war eine dunkle Sockelzone mit Ölfarbe direkt auf den Verputz der Wände gemalt, wobei man eine Holzmaserung nachahmte. Darauf waren mit profilierten Holzleisten Rahmenfelder aufgenagelt (die Nagellöcher sind noch erkennbar), so daß eine Holzvertäfelung der Sockelzone imitiert wurde (diese Holzleisten sind - weiß überstrichen - hinter den Heizkörpern unter den Fenstern noch vorhanden, wahrscheinlich waren sie ursprünglich in goldener Farbe gefaßt). Über dieser Sockelzone befindet sich eine schmale, heute mit Gips zugefüllte Rille. Offenbar waren hier die Holzleisten des Rahmens eingelassen, auf den man eine bis unter die Deckenkehle reichende Textiltapete gespannt hatte.

Freilegung bei Renovierung 1997: Detail von der Decke des unteren Salons, Holzintarsien nachahmende Malerei
Freilegung bei Renovierung 1997: Detail von der Decke des unteren Salons, Holzintarsien nachahmende Malerei

Aus finanziellen Gründen hat man im Salon (wie in den anderen Räumen auch) auf eine Wiederherstellung der originalen Raumfassung verzichtet, die Wände tapeziert und die freigelegte Deckendekorationen wieder überstrichen. Eine Rekonstruktion der originalen Deckenfassung wäre unbezahlbar und würde außerdem die Raumatmosphäre nachhaltig verändern. Wenn der Gedanke einer Rekonstruktion auch reizvoll erscheint, ist dennoch zu bedenken, daß die moderne, helle Raumfassung auch zur Geschichte des Hauses gehört und daß der Stifter die ursprüngliche farbige Deckengestaltung wohl nie zu sehen bekommen hat.

Udo Pfennigsdorf nutzte diesen Raum bei seiner Anwaltstätigkeit als Sprechzimmer, hier steht heute noch sein Schreibtisch. Das Mobiliar in diesem Raum entstammt der Zeit um die Jahrhundertwende, besonders ist ein neubarock anmutendes Sofa hervorzuheben. Dieses Sofa stammt wie die beiden dazugehörigen Sessel von der Witwe Sophie Breuer, die einige Jahre im Haus zur Miete lebte und im Adreßbuch von 1941/42 genannt wird. An den Wänden hängen zahlreiche Reiseandenken von den Orientreisen des Vaters des Stifters.

An der Wand zum Treppenhaus befindet sich ein Ölgemälde von Carl Nonn, das signiert, aber nicht datiert ist. Der Titel des Landschaftsgemäldes "Eifelwald" steht auf der Rückseite der Leinwand neben einer weiteren Signatur des Künstlers. Carl Nonn (1876-1949) lebte in Bonn und malte hauptsächlich Landschaften der Bonner Umgebung, vor allem der Eifel.

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3.2.4 Das alte Speisezimmer

Bei diesem zum Garten hin gelegenen Raum dürfte es sich um das ursprüngliche Speisezimmer des Hauses gehandelt haben. In der Regel dienten die der Straße zugewandten Räume im Erdgeschoß der Südstadthäuser zum Empfang der Gäste und das zum Garten hin gelegene Zimmer als Speiseraum, an den sich häufig noch ein Wintergarten anschloß. Daß der Speiseaufzug nicht in dieses Zimmer mündet, mag bautechnische Gründe haben und dem nicht grundsätzlich widersprechen.

Salon im Erdgeschoß (Aufnahme ca. 1936)
Salon im Erdgeschoß (Aufnahme ca. 1936)

Eine alte Aufnahme von 1935/36 zeigt seitlich der Doppeltür zum Wintergarten die einzigen damals noch erhaltenen, entweder beim darauffolgenden Umbau beseitigten oder im Zweiten Weltkrieg zerstörten farbigen Bleiverglasungen aus der Erbauungszeit. Es ist davon auszugehen, daß ursprünglich zumindest in den repräsentativeren Räumen farbige Glasfenster vorhanden waren.

Bei der Restaurierung des Raumes 1997 waren keine nennenswerten und aussagekräftigen Reste der ursprünglichen Farbfassung festzustellen. Udo Pfennigsdorf diente dieser Raum bis 1955 als Schlafzimmer, danach wurde er als weiterer Büroraum für die Anwaltskanzlei als sogenanntes „Referendarszimmer“ genutzt.

Das heute in diesem Raum stehende Mobiliar stammt im wesentlichen wohl aus dem späten 19. Jahrhundert. Die Ölgemälde in diesem Raum wurden in der Zeit um die Jahrhundertwende von Erika Pfennigsdorf gemalt.

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3.2.5 Der Wintergarten

1908 wurde eine zweigeschossige Veranda angebaut. Schon 1912 wurde der untere Teil der schönen Eisenkonstruktion verglast und so im Erdgeschoß der Wintergarten geschaffen. Der Wintergarten, von dem aus eine Tür in den Garten führt, besitzt ein großes Fenster, das mittels eines Hebemechanismus nach oben geschoben und so komplett geöffnet werden konnte. Dieser Mechanismus funktioniert leider nicht mehr, seine Wiederherstellung wäre zu aufwendig.

Blick zum Wintergarten 1997
Blick zum Wintergarten 1997

Das einzige bemerkenswerte Stück unter den heute in diesem Raum vorhandenen Möbeln ist eine Holztruhe, die nach den Formen ihrer Beschläge ins frühe 17. Jahrhundert einzuordnen ist.

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3.3 Das erste Obergeschoß

Vom Treppenhaus aus gesehen rechts führt ein kurzer Gang zum Badezimmer und zur 1937 eingerichteten Küche, in der sich modernes Küchengerät, aber auch Mobiliar von 1915 befindet.
Bei der Renovierung der drei Wohnräume in dieser Etage, die sich heute in grünlichhellgetönten Farben mit weißen Decken präsentieren, wurden an den Decken schwache Reste alter Farbfassung entdeckt, die nicht dokumentiert worden sind.

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3.3.1 Das Wohnzimmer

Bei dem über dem Salon im Parterre liegenden Zimmer im ersten Obergeschoß handelt es sich um das Wohnzimmer oder die "gute Stube" des Einfamilienhauses. Die Decke ist im Gegensatz zu der im Salon nicht in einzelne Felder aufgeteilt, besitzt dafür aber Stuckornamente vor den Raumecken; die große Rosette in Neurokoko-Formen ist nicht ganz so detailreich wie unten und ohne Putten gestaltet.

Das Wohnzimmer (mit dem von Paul Türoff 1930 gemalten Bildnis Erika Pfennigsdorf), 1. Obergeschoß
Das Wohnzimmer (mit dem von Paul Türoff 1930 gemalten Bildnis Erika Pfennigsdorf), 1. Obergeschoß

Das Mobiliar ist im wesentlichen historistisch und um 1900 entstanden, teilweise mit einem neubarocken Einschlag. Besonders bemerkenswert ist die jüngst restaurierte Sitzgruppe. An der Fensterfront gegenüberliegenden Wand zum Treppenhaus steht eine Truhe, die wohl um die Mitte des vorletzten Jahrhunderts entstanden ist.

Darüber hängt ein großes Ölgemälde, das mit “M. Dahmann” signiert ist und den Gardasee darstellt. Das Bild soll Ende des 19. oder Anfang des 20. Jahrhunderts enstanden sein und von einem Maler aus der Düsseldorfer Schule stammen.

In der Ecke, neben der Tür zum Treppenhaus, hängt ein Stuckrelief, das die Geschichte von Pygmalion darstellt, einem Stoff aus Ovids Metamorphosen (X. 14398): Pygmalion, ein König von Kypros, verliebt sich in das von ihm selbst geschaffene Standbild eines Mädchens. Venus erhört seinen Wunsch und erweckt die Elfenbeinskulptur zum Leben, worauf sie Pygmalion zur Gattin nimmt. Das Flachrelief besitzt eine Signatur des spätklassizistischen Bildhauers Carl Gundelach (1856-1926; ein Verwandter der Familie Erika Pfennigsdorf, geb. Otte) und ist auf 1904 oder 1911 datiert (nicht genau entzifferbar); die Gußqualität erscheint allerdings relativ bescheiden.

An der Wand zum heutigen Speisezimmer hängt ein von Carl Jordan signiertes, nicht datiertes Ölgemälde, das einen Eremiten in einer an den Umkreis Moritz von Schwinds erinnernden Waldwildnis darstellt. Der Maler Carl Jordan, der 1863 in Bozen in Südtirol geboren wurde, war Schüler an der Münchner Akademie unter anderem bei Franz von Defregger. 1891 bis 1910 lehrte er selbst an der Kunstgewerbeschule in Straßburg. Die Hauptthemen seiner Malerei waren Stoffe der deutschen, vor allem aber der Tiroler Geschichte und Sagenwelt, aber auch Genre, Landschaften und religiöse Motive.

An der Wand zum Nachbarhaus hängt ein 1929 von Paul Tyroff signiertes, nicht datiertes in Öl gemaltes Porträt von Emil Pfennigsdorf, das ihn in der Pose des lehrenden Professors über aufgeschlagenen Büchern zeigt. Tyroff, der 1873 in Ranis in Thüringen geboren worden war, studierte an den Akademien in Düsseldorf und in München und war als Bildnismaler in Oberkassel bei Bonn tätig. An der gegenüberliegenden Wand neben dem Durchgang zum Speisezimmer hängt das dazugehörige 1930 datierte Pendant, das ebenfalls von Tyroff gemalt wurde und Erika Pfennigsdorf darstellt.

Auf dem Bücherregal neben dem Fenster steht eine Kopfbüste Emil Pfennigsdorfs aus Ton, die kurz nach dem Zweiten Weltkrieg von dem mit der Familie befreundeten Studienrat W. Franke geschaffen wurde; sie ist mit der Signatur WF versehen, aber nicht datiert. Ebenfalls von Franke existiert im Haus eine Kohlezeichnung, die Pfennigsdorf porträtiert.

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3.3.2 Das Gartenzimmer oder Schlafzimmer

Dieser Raum, der wie sein Pendant im Erdgeschoß nur eine bescheidene Deckenstukkatur besitzt, ist ein Schlafzimmer gewesen. Von hier ist der Balkon über dem Wintergarten zugänglich. In diesem Zimmer befinden sich heute die bemerkenswertesten Möbelstücke des Hauses: Der Fassadenschrank mit Kugelfüßen, Pilastern und schön geschnitzten korinthischen Kapitellen in der Art Frankfurter Schränke dürfte um 1700 zu datieren sein. Der Schreibschrank neben dem Fenster stammt aus dem 18. Jahrhundert; aufgrund seiner zurückhaltenden Formgebung kann man ihn als bürgerliches Möbelstück der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts einschätzen. Ebenso bemerkenswert ist die außergewöhnlich gut erhaltene Sitzgruppe mit einem Sofa und zwei Sesseln aus der Zeit um 1910; die offensichtlich sehr schonend behandelten Samtbezüge zeigen Jugendstilornamente.

Sitzgruppe im Gartenzimmer, (von etwa 1910), 1. Obergeschoß
Sitzgruppe im Gartenzimmer, (von etwa 1910), 1. Obergeschoß

Über diesem Sofa hängt ein großes Ölgemälde, das mit "P. Bücken" signiert, aber nicht datiert ist und eine pastorale Szene in abendlicher Stimmung mit Rindvieh am Waldessaum darstellt. Der 1830 in Burtscheid geborene Paul Bücken studierte an der Düsseldorfer Akademie (bei Johann Wilhelm Schirmer und Carl Friedrich Lessing) und lebte mehrere Jahre in München und vor allem in Aachen, wo er 1915 starb. Sein Werk beinhaltet hauptsächlich idyllische Landschaften (oftmals Eifellandschaften) mit Menschen und vor allem Tieren als Staffage. Bücken, der zu den bedeutenderen Vertretern der rheinischen Landschaftsmalerei zählt, malte in seinem späteren Werk großflächigere Bilder in "zarter silbergrauer Farbigkeit" (Saur, Allgemeines Künstlerlexikon. Hrsg. v. Günter Meißner. Bd. 15, München/Leipzig 1997, S. 25). Dieser Phase ist das Gemälde zuzurechnen, wozu auch der wohl zwischen 1890 und 1910 entstandene Rahmen paßt.

An der linken Wand des Zimmers hängt eine Kohlezeichnung mit dem Portrait Udo Pfennigsdorfs, die 1929 von Willy Stucke angefertigt wurde. Der Bonner Künstler Willy Stucke, der nicht mit seinem gleichnamigen Vater zu verwechseln ist und ebenfalls Maler war, lebte von 1909 bis 1987 in Bonn und wirkte in erster Linie als Maler und Graphiker. Der Stifter und Stucke hatten sich in ihrer Studienzeit angefreundet; aus dieser Zeit stammt auch die Zeichnung.

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3.3.3 Das heutige Speisezimmer

Dieser Raum, der zumindest seit dem Umbau von 1937 als Eßzimmer benutzt wurde, besitzt eine dem Wohnzimmer ähnelnde Stuckdecke mit Ornamenten des Neurokoko.

Beim Mobiliar handelt es sich um ein komplettes Ensemble, das aus einem Geschirrschrank, einer Anrichte, dem Eßtisch und Stühlen besteht und das wohl kurz nach 1900 entstanden ist. Vor allem der Geschirrschrank, in dem sich zeitgenössische Gläser befinden, und die dazugehörige Anrichte sind bemerkenswert. Die Stücke sind in einem konservativen, von historistischen Zügen durchdrungenen Jugendstil mit Säulenmotiven gestaltet.

Geschirrschrank, bald nach 1900
Geschirrschrank, bald nach 1900

In einer Ecke des Raumes steht ein Schaukelstuhl aus der Fabrikation von Michael Thonet, der kurz nach 1860 entstanden sein dürfte. Thonet (1796-1871) hatte 1857 eine Methode entwickelt, Rundhölzer mit Wasserdampf biegsam zu machen (sog. Bugholz) und so Möbel in völlig neuen Formen industriell herstellen zu können. Es handelt sich um das mit Sicherheit innovativste Möbelstück im Hause, das nicht so recht zum betont konservativen Geschmack der Pfennigsdorfs zu passen scheint. Wahrscheinlich ist dieser Stuhl ein Stück, das die Mutter des Stifters, Erika Pfennigsdorf, geborene Otte, von ihrer Mutter geerbt hat.

Von Erika Pfennigsdorf stammen auch zwei Gemälde im Raum, an dessen Rückwand außerdem noch ein großes Ölbild hängt, das mit "Theen-Kneiss" signiert ist und eine herbstliche Flußuferlandschaft darstellt. Über die Person des Malers läßt sich in der gängigen Literatur über Künstler des 19. und frühen 20. Jahrhunderts nichts in Erfahrung bringen.

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3.4. Das zweite Obergeschoß

Ursprünglich dürften sich hier die Räume der Dienstboten befunden haben, außerdem auch das eine oder andere Schlafzimmer der Familie (zumindest für Gäste oder Kinder). 1937 wurde auch in dieser Etage ein Badezimmer mit Toilette installiert; außerdem die zum Garten gerichtete Dachterrasse gebaut.

Das Dachgeschoß ist heute vermietet und wird daher nicht für die Belange der Stiftung genutzt.

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3.5 Der Keller

Wenn man in den Keller hinabsteigt, entdeckt man auf dem Treppenabsatz ein halbhohes Türchen, an dessen Stelle sich früher die Tür zu einem der Toilettenräume des Hauses befand. Ursprünglich war der Keller, der heute im wesentlichen nur noch als Abstellraum dient, das Reich der Bediensteten des Hauses, hier befanden sich die Versorgungsräume und vor allem die Küche.

Unter dem Treppenabsatz liegt eine relativ niedrige Kammer, die wohl als Kohlenkeller diente. Vom Fuß der Treppe aus gesehen links führt eine Tür in einen großen Raum, wohl die ehemalige Spülküche (ein großes Waschbecken ist noch vorhanden), an den zum Garten hin ein Raum angebaut ist, bei dem es sich um die Substruktion der 1908 angebauten Veranda handelt. Zur Straße hin schließt sich die eigentliche Küche an, die bis zum Umbau von 1937 in Betrieb war und in der wohl auch die Mutter des Stifters, Erika Pfennigsdorf, mit ihrem Personal gekocht haben wird. Hier haben sich um das Waschbecken aus der Erbauungszeit stammende Wandfliesen erhalten. Nebenan liegt die Speisekammer, in der sich in Wandschränken noch alte Einmachgläser befinden. Eine weitere Tür führt von der Küche in den Vorraum der Speisekammer, von dem aus der aus der Erbauungszeit des Hauses stammende Speiseaufzug bedient wurde. Der Aufzug funktionierte nach dem Prinzip eines Flaschenzugs, er wurde mit einer Kurbel betrieben und reichte ursprünglich bis ins erste Stockwerk. Er wurde im Obergeschoss anläßlich der Renovierungsarbeiten im Jahre 1965 abgerissen. Der Schacht dient im Parterre noch als “Einbauschrank”.

Der Speiseaufzug ist auch von der anderen Seite, aus dem großen Vorratskeller, zugänglich. In diesem Raum stehen noch alte Wein- und Obstregale sowie Kartoffelgestelle. Daß das Weinregal und die einzelnen Obststeigen abschließbar sind, zeigt, daß sie in einer Zeit angeschafft wurden, als man noch Personal im Haus hatte (gegenüber dem man wohl etwas mißtrauisch war). Um
die Ecke befindet sich noch ein weiterer Vorratsraum, in dem noch einige Steintöpfe stehen. Nebenan ist die Waschküche, in der ein Schild an der Heizungspumpe mit der Aufschrift "Zur Beachtung! Die Heizung ist stets mit Regenwasser zu speisen" von der Sparsamkeit der Hausbewohner zeugt (im Hof befand sich eine Zisterne für das vom Hausdach zugeleitete Regenwasser).

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4 Das Haus in der Gegenwart

Anläßlich der 1991 erfolgten Eintragung des Hauses in die Denkmalliste der Stadt Bonn begründete die Untere Denkmalbehörde die Denkmaleigenschaften (gem. § 2 DSchG NW) folgendermaßen:

Das Gebäude der Poppelsdorfer Allee 108 ist eines der ganz wenigen Häuser aus dieser Zeit, das sich ohne nennenswerte Veränderungen insbesondere des äußeren Erscheinungsbildes bis heute erhalten hat....

... Neben dem äußeren Erscheinungsbild ist auch die innere Raumaufteilung und Ausstattung der Häuser von Bedeutung, da sie Zeugnisse über die Wohnverhältnisse und kultur ihrer Entstehungszeit ablegt. Das Gebäude ist folglich als Ganzes ein soziokulturelles Dokument der zeitgenössischen Lebensverhältnisse.

An der Erhaltung und Nutzung des in spätklassizistischen Formen erbauten Gebäudes besteht aus wissenschaftlichen (siedlungs-, stadt- und architekturgeschichtlichen) Gründen ein öffentliches Interesse."

Die beispielhafte Erhaltung des Hauses in dem von ihm hinterlassenen Zustand war auch ein wesentliches Anliegen des Stifters Udo Pfennigsdorf im Zusammenhang mit seiner testamentarischen Verfügung, von seinem Vermögen eine Stiftung zur Förderung der Kultur zu gründen. In der Satzung der Stiftung Pfennigsdorf heißt es: " ... das unter Denkmalschutz stehende eingerichtete Bürgerhaus mit Tradition in Bonn, Poppelsdorfer Allee 108, ist für die Nachwelt zu erhalten. Entsprechend seiner Zweckbestimmung ist die Einrichtung des Hauses weiter mit gutem, antikem deutschen Mobiliar zu vervollständigen und sind die Bilder z.B. durch ältere, gute Landschaftsbilder zu ergänzen. Das Bürgerhaus wird gegebenenfalls mit dem Rheinischen Landesmuseum Bonn der interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht."

Es mag in Bonn sicherlich Häuser aus dem 19. Jahrhundert geben, die über eine wesentlich anspruchsvollere Architektur verfügen oder eine luxuriösere, wertvollere Einrichtung oder kunsthistorisch bedeutendere Ausstattung besitzen. Das Gebäude in der Poppelsdorfer Allee 108 ist jedoch als Bauwerk schon aufgrund seiner hervorgehobenen Lage und der weitestgehenden Erhaltung der originalen Bausubstanz bemerkenswert. Das Herausragende an der Einrichtung im Haus der Stiftung Pfennigsdorf liegt weniger im kunsthistorischen Wert einzelner "Highlights", als vielmehr in der Gesamtheit von Einrichtung und Hausrat. Hier wird ein von der späteren Zeit fast unangetastetes, nahezu vollständiges Bild des Ambientes vermittelt, in dem ein von der bürgerlichen Kultur des 19. Jahrhunderts geprägter Bonner Professor in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts lebte. Zu dieser hier konservierten Atmosphäre gehören nicht nur Eichenmöbel, Ölgemälde und edles Geschirr, sondern auch banale Alltagsgegenstände, Nippes, Reiseandenken und familiäre Erinnerungsstücke, die in ihrem angestammten Kontext geblieben sind.

Das Haus soll in Zukunft aber nicht nur als Sitz der Stiftung dienen und zu musealen Zwecken erhalten werden, sondern auch den Rahmen für aktive Kulturpflege abgeben.

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